Chilla checkt!

Internationaler Getreidemarkt 2020/21

Wo liegen trotz der Corona-Krise die Chancen für die Vermarktung des deutschen Getreides? Unser Experte Bernhard Chilla wirft einen Blick auf den internationalen Getreidemarkt und analysiert die Lage.

02.07.2020

„Die Mehrheit der Marktbeobachter konzentrieren sich derzeit auf drei Entwicklungen – die Höhe der US Maisproduktion 2020/21, die Nachfrage Chinas nach US-Waren und die Auswirkungen der globalen Nachfrageentwicklung durch die Corona-Krise. Dabei vernachlässigen sie aber weiterhin, dass das globale Weizenangebot sich nicht richtig erholen soll.“

  • Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Nachfrage durch die Corona Krise belastet die internationalen Getreidebörsen.
  • Zwar senkte das amerikanische Landwirtschaftsministerium USDA 2020 seine Prognose zur Maisanbauflächenerwartung in den USA. Dennoch sollte das globale Maisangebot immer noch deutlich höher sein als in den vergangenen zwei Jahren – wenn die hohen Ertragserwartungen weltweit 2020/21 eintreten.
  • Dieses Stimmungsbild drückt auch in den deutschen Agrarmarkt.
  • Dabei wird aber vergessen, dass sich das Weizenangebot in Europa und in den Exportländern nicht nachhaltig verbessert.
  • Gleichzeitig ist China durch die kräftige Erholung der inländischen Fleischerzeugung nicht nur als großer Importeur von Ölsaaten zurück. Auch die Getreidenachfrage wächst stetig – trotz der, offiziell veröffentlichten Zahlen zur Folge, sehr üppigen Getreidevorräte.

Deutscher Getreidemarkt steht vor Herausforderungen

Der deutsche Getreidemarkt steht im Wirtschaftsjahr 2020/21 vor sehr vielen Herausforderungen. Die Voraussetzungen haben sich im Vergleich zu den beiden Jahren zuvor gänzlich gedreht. Die beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahre waren stark von einem knappen Weizenangebot geprägt.

Der Fokus zur Beurteilung der internationalen Getreideversorgung wandert vom Weizen zum Mais – die globale Maisversorgung 2020/21 wird mit mehr als ausreichend erwartet

Die globale Getreideproduktion war lange niedriger als die Nachfrage (nur die chinesische Statistik verfälscht dieses Bild). Doch die Corona-Pandemie im März 2020 veränderte das globale Versorgungsbild komplett. Die Getreidevorräte in den Exportländern sollen nun nach den Erwartungen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums USDA deutlich wachsen. Ein wichtiger Auslöser dieser Entwicklung war der Einbruch der Ethanolnachfrage in den USA. Zudem importierten asiatische Länder nach der Abschottung ihrer Märkte deutlich weniger Futtergetreide, weil kurzzeitig weniger Fleisch nachgefragt wurde. Wenig hilfreich für einen Rückgang der Maisvorräte in den USA war ebenfalls die Entscheidung der amerikanischen Landwirte, den Maisanbau zur Ernte 2020 nochmals auszudehnen. Durch all diese Faktoren zusammen steht nach den Annahmen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums im Wirtschaftsjahr 2020/21 deutlich mehr Mais zur Verfügung als in den beiden vorangegangenen Jahren.

Die Weizenversorgung 2020/21 in den Exportländern verbessert sich auf der Nordhalbkugel nicht – erst die australische Weizenproduktion soll das Blatt wenden

Da hilft aktuell auch nicht, dass sich die Weizenversorgung 2020/21 in den wichtigsten Exportländern weltweit im Vergleich zu den Vorjahren nicht signifikant verändern soll. Das Weizenangebot sollte weiterhin zwar den Bedarf decken können, ein signifikanter Aufbau der globalen Bestände wird aber nicht erwartet. Und dieser Bestandsaufbau soll erst dann eintreten, wenn in Australien und in Argentinien die Ernte eingefahren wird – doch das wird erst im November/Dezember der Fall sein. In der EU (inkl. England) soll die Weizenproduktion 2020 weit unter der Vorjahresmenge liegen, nicht nur wegen des Anbauflächenrückganges in Deutschland, Frankreich oder England, sondern auch durch witterungsbedingte Ertragsausfälle in Rumänien, Ungarn oder Bulgarien. In der Ukraine haben sich die Ernteaussichten für den Weizen zuletzt deutlich gebessert, dennoch wird nicht die Vorjahreserzeugung erwartet. Nur in Russland wird eine Produktion über der Vorjahresmenge erwartet, dennoch reicht der Zuwachs nicht aus, um die Verluste in der EU oder der Ukraine auszugleichen.

Allerdings bleibt trotz dieser Entwicklung immer noch festzuhalten, dass die Preisentwicklung im deutschen Getreidemarkt 2020/21 viel stärker davon abhängen wird, wie gut die Welt mit Futtergetreide - speziell Mais - versorgt sein wird. Somit rückt neben dem Angebot auch die Nachfrage nach Futtergetreide in den Fokus – weltweit und im Binnenmarkt. Von dem kommenden deutschen Ernteangebot dürften derzeit wenig Impulse ausgehen, das Getreideangebot deutlich zu verschieben. In Deutschland sollte die Weizenernte 2020 nach dem Regen im Juni nicht mehr deutlich unter der Vorjahresproduktion liegen. Auch bei Gerste wird nicht mit einem großen Ernteeinbruch gerechnet – trotz lokal großer Frostschäden bei der Wintergerste. Somit kann von einem knappen Getreideangebot in Deutschland (anders als 2018) derzeit nicht ausgegangen werden. Somit rückt hierzulande wie auch international die Entwicklung der Nachfrage in den Mittelpunkt.

Die Futternachfrage in Deutschland war stabil über die vergangenen Jahre – jetzt kündigen sich Veränderungen an

Die Futternachfrage sollte sich nicht grundlegend verändern, aber sie wird auch nicht wachsen. Die Schweinebestände sinken, was gleichbedeutend für weniger Futternachfrage stehen sollte. Gleichzeitig muss beobachtet werden, wie lange und wie viel Schweinefleisch nach China exportiert werden kann. Die chinesische Nachfrage war in den vergangenen zwölf Monaten der entscheidende Einflussfaktor für die guten Schweinefleischpreise. Doch in China wachsen die Tierbestände nach dem starken Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest wieder an. Die Geflügelfutternachfrage dürfte sich wieder stabilisieren, wenn die Corona-Restriktionen wieder Stück für Stück gelockert werden. Diese Lockerung kann auch dem Rinderfuttermarkt helfen. Doch echte Wachstumsimpulse, die im deutschen Futtermarkt in den vergangenen fünf Jahren zu verzeichnen waren, fehlen derzeit. Unter diesen Entwicklungen dürfte auch der Absatz von Futtergerste beeinflusst werden. Das Angebot bleibt auch durch die alte Ernte mehr als ausreichend, die globale Exportnachfrage war seit 2018 durch die sinkende globale Nachfrage (Saudi-Arabien, China) rückläufig. Dennoch sollte die globale Nachfrage insgesamt für alle Getreidearten nicht unterschätzt werden. Dieses war vor allem im Wirtschaftsjahr 2019/20 der Fall, wovon insbesondere der deutsche Weizen profitieren konnte.

Die Nachfrage von Getreide sollte trotz Corona-Krise nicht unterschätzt werden. In China liegen über 50% der globalen Getreidebestände, gleichzeitig ist China weltweit der fünftgrößte Importeur von Getreide (ohne Reis)

Der Iran war überraschend ein großer Importeur von Weizen. Dagegen war Deutschland der wichtigste Lieferant. Noch wird davon ausgegangen, dass der Iran in dieser Form nicht wieder als Importeur auftreten wird. Doch solange internationale Wirtschaftssanktionen gegen den Iran in Kraft sind, zeigt die Vergangenheit, dass Iran immer wieder große Mengen Weizen zur Sicherstellung der Versorgung von Lebensmittel im Binnenmarkt importiert hat. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass auch im kommenden Wirtschaftsjahr Weizen nachgefragt wird. Und der deutsche Weizen ist aus qualitativen Gesichtspunkten im Iran sehr gefragt. Doch diese Entwicklung ist dann wieder mit einer hohen Unsicherheit belastet. Für den Gerstenmarkt stehen große Veränderungen der globalen Handelsströme an, wovon auch der deutsche Markt profitieren kann. Die chinesische Regierung hat Gerste aus Australien mit einem hohen Importzoll belastet. Der Export von Gerste aus Australien nach China rechnet sich nicht mehr. Gerste kann nach China nur aus ausgewählten Ursprüngen exportiert werden. Dazu zählt in der EU nur Frankreich. Wenn der Exportüberschuss in Frankreich für andere Importländer dadurch schrumpfen sollte, kann Deutschland einen Teil dieser Lücke füllen.

Trotzdem kann vorerst nicht von einer echten Verknappung des Getreideangebotes im Wirtschaftsjahr 2020/21, auch nicht in Deutschland, ausgegangen werden. Erst wenn hohe Ertragsausfälle beim Mais in den USA und/oder der Ukraine auftreten würden, verändert sich das globale Versorgungsbild. Davon würde auch der Absatz von deutschem Getreide für den heimischen Futter- und dem Exportmarkt profitieren.

Es handelt sich bei der obigen Analyse ausdrücklich nicht um eine Anlageempfehlung! Der Autor stellt lediglich seine persönliche Meinung nach Bewertung verschiedener Marktkriterien dar. Weder der Autor noch die AGRAVIS Raiffeisen AG können irgendeine Prognose bzgl. der Entwicklung von Rohstoffpreisen abgeben und weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese starken Schwankungen unterliegen können und von vielen teils unbekannten Faktoren beeinflusst werden.

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