Das planungsrechtliche Verfahren dafür steht noch ganz am Anfang. Markus Menne, Bereichsleiter Logistik, bei der AGRAVIS, nennt im Interview Gründe, die aus Unternehmenssicht für die Umsetzung des Vorhabens am Standort Nottuln sprechen.
Herr Menne, die Pläne der AGRAVIS wurden vor Ort in Nottuln kontrovers diskutiert. Hat Sie das überrascht?
Markus Menne: Nein, das hat es nicht. Wir leben in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und insbesondere der Klimaschutz berechtigterweise eine immer wichtigere Rolle spielt und größere Bauvorhaben damit in den Fokus rücken. Logistikprojekte haben nun mal besondere Anforderungen, wenn ich zum Beispiel an die Größenordnung und den Flächenbedarf denke. Und dennoch bin ich überzeugt, dass wir es schaffen können, das Logistikzentrum so zu errichten, dass Klimaschutzaspekte und der Schutz der natürlichen Ressourcen bestmöglich berücksichtigt werden und zugleich Wirtschaftlichkeit und Funktionalität gegeben sind.
Können Sie das näher erläutern?
Menne: Wir möchten ein zukunftsorientiertes, nachhaltiges und langfristig ein klimaneutrales Logistikkonzept umsetzen, das alle Bausteine der modernen Arbeitswelt nutzt und Ineffizienzen hebt – ein Gewinn für den Klimaschutz. Neben den gefahrenen Kilometern soll auch die versiegelte Fläche möglichst geringgehalten werden. Wir wollen das Gebäude nach aktuellen Energieeffizienzstandards errichten, um einen CO2-neutralen Betrieb des künftigen Standorts sicherzustellen. Dazu gehört, dass auf dem Dach des Gebäudes unter maximaler Ausnutzung der Flächen Photovoltaikanlagen errichten werden, um damit den eigenen Strombedarf zu decken. Wir haben uns bewusst das ambitionierte Ziel gesteckt, einen klimaneutralen Standort zu betreiben, der zugleich die hohen Standards der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen erfüllt.
Welche Ausgleichsmaßnahmen sind für die Flächenversiegelung vorgesehen?
Menne: Diese werden im Zuge des Bauleitverfahrens quantifiziert. Unser Wunsch ist es, diese ökologischen Ausgleichsmaßnahmen direkt in Nottuln umzusetzen, nämlich durch die Unterstützung der geplanten Renaturierung der Stever. Hierzu laufen derzeit konkrete Gespräche mit der Gemeinde.
Wie passt das Gebäude aus Ihrer Sicht in die bestehende Landschaft der Baumberge?
Menne: Unser Ziel ist es, durch architektonische und ökologische Maßnahmen das Gebäude bestmöglich in die bestehende Landschaft zu integrieren. So wurde z. B. mit der Unteren Naturschutzbehörde vereinbart, dass wir in den Bereichen zum Hellerbach auf Zäune und Beleuchtung verzichten. Zusätzlich werden in diesen Bereichen Steinmauern, Hecken und Blumenwiesen installiert. Durch eine abschnittsweise Fassadenbegrünung wird das Gesamtbild aufgelockert und den Insekten Raum zur Entfaltung gegeben. Weiterhin werden alle Hallendächer, auf denen keine Photovoltaikanlagen installiert werden, mit einem Gründach versehen. Selbstverständlich wird es auch weiterhin einen separaten Rad- und Fußgängerweg entlang der Erweiterung des Gewerbegebietes Beisenbusch geben.
Warum werden die Lagerkapazitäten an einem Standort zusammengezogen?
Menne: Das macht aus vielerlei Gründen Sinn. Nur wenn wir Lagerflächen und Auslieferung an einem Standort bündeln, können wir eine effiziente, ressourcenschonende Logistik sicherstellen. Heißt: die Anzahl der gefahrenen Kilometer begrenzen und die versiegelten Flächen so gering wie möglich halten, damit unsere Kunden die Ware zur richtigen Zeit am richtigen Ort haben. Eine Aufsplittung unserer Zentrallagerlogistik auf mehrere Standorte würde zu erheblich größeren Umweltbeeinträchtigungen führen, wäre darüber hinaus unwirtschaftlich und würde damit Arbeitsplätze gefährden. Allein AGRAVIS kann durch das Vorhaben in Nottuln aktuell fünf Standorte zusammenfassen. Dies reduziert den innerstädtischen Verkehr, dies gibt Potenzial zur Nutzung von Bestandsflächen. Es liegen dazu bereits zahlreiche Anfragen von Interessenten vor. Das Lager Nottuln ermöglicht außerdem den Verzicht auf verschiedene Baumaßnahmen für Stückgutlogistik bei den Genossenschaften vor Ort.
Eine Erweiterung am bestehenden Standort in Münster ist nicht möglich?
Menne: Nein. Am derzeitigen AGRAVIS-Standort Loddenheide gibt es keine Erweiterungsmöglichkeiten. Aktuell sind schon zusätzliche Flächen an drei weiteren Standorten um und in Münster angemietet. In Münster standen keine weiteren Flächen für einen Neubau zur Verfügung.
Und ein nicht mehr genutztes Industriegelände zu überplanen und für diesen Zweck zu nutzen, war ebenfalls keine Alternative?
Menne: Solche Flächen gibt es im Ruhrgebiet, sind aber im Münsterland nicht verfügbar, wo sich unser Arbeitsschwerpunkt befindet und unsere Mitarbeitenden zu Hause sind. Wir haben sehr lange nach einem geeigneten Standort gesucht und ihn nach unserer Überzeugung in Nottuln gefunden.
Welche Produkte werden in dem Lager vorgehalten?
Menne: Es handelt sich zum ganz überwiegenden Teil – ca. 70 bis 80 Prozent – um Waren, die in den Raiffeisen-Märkten für das Endverbrauchergeschäft verkauft werden. Das breite Sortiment für Haus, Tier und Garten erfreut sich in den Märkten vor Ort einer zunehmenden Beliebtheit. Dazu bedarf es einer ausgefeilten Logistik, die mit möglichst wenig gefahrenen Kilometern das Produkt in das Regal liefert. Bei den perspektivischen Knappheiten von Frachtraum ist das ein wichtiges Argument für ein Logistikzentrum in der Region. An der pünktlichen und wirtschaftlichen Logistik hängt die Existenz unserer rund 800 Raiffeisenmärkte mit rund 5.000 Arbeitsplätzen. Allein im Münsterland sind es mit rund 50 Märkten unmittelbar 500 Arbeitsplätze. Bezogen auf die Landwirtschaft betrifft das Konzept rund 100 Genossenschaften mit ca. 4.000 Mitarbeitenden in der Landwirtschaft, in der unmittelbaren Nachbarschaft sind es ca. 20 Genossenschaften mit ca. 150 Außenstellen und ca. 1.000 betroffenen Mitarbeitenden. Die landwirtschaftlichen Betriebsmittel werden als Stückgut vorgehalten – in Gebinden, Kartons, Säcken oder ähnlichem.
Gilt das auch für das Gefahrstofflager?
Menne: Ja, selbstverständlich. Bei den Gefahrstoffen handelt es sich um Produkte wie Desinfektions-, Reinigungs- und Pflanzenschutzmittel, aber auch für den Endverbraucher gängige Produkte zur Schädlingsbekämpfung wie Schadnager, Motten, Schnecken oder Geflügelmilben. Sie werden in kleineren Gebinden wie Spraydosen, Kanistern oder maximal IBC-Behältern gelagert. Es geht also keineswegs um offene Chemikalien.
Und trotzdem ruft so ein Lager bei manchen Skepsis hervor?
Menne: Das kann ich bei Außenstehenden durchaus nachvollziehen. Das in Nottuln geplante Gefahrstofflager unterliegt wie alle Einrichtungen dieser Art den strengen Vorschriften der Bundes-Immissionsschutz-Verordnung. Es müssen daher umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Beispiele sind flüssigkeitsdichte Böden, feuerbeständige Wände, Brandschutztore, Lüftungsanlagen und eine automatische Brandmelde- und Löschanlage. Das wird regelmäßig behördlich überprüft. Als Betreiber etlicher Gefahrstofflager in Deutschland haben wir jahrelang Erfahrung im Umgang mit diesen Themen und sind uns unserer Verantwortung bewusst.
Sollte es doch zu einem Störfall kommen: Ist die Nottulner Feuerwehr dafür ausgestattet?
Menne: Im Rahmen der Genehmigung ist auch ein enger Austausch mit der örtlichen Feuerwehr zwingend erforderlich. Aus unserer Erfahrung ist kein zusätzliches Gerät notwendig. Sollte dies aber der Fall sein, ist die AGRAVIS auch bereit, sich an der Anschaffung zu beteiligen und hat dies in der Vergangenheit an anderen Standorten bereits getan.
Mit dem Umzug des Lagers von Münster nach Nottuln werden auch die meisten Beschäftigten von dort mit herüberkommen. Werden darüber hinaus neue Arbeitsplätze entstehen?
Menne: Ja. Zusätzliche Mitarbeitende werden für weiteres Wachstum benötigt und eingestellt. Von der Fachkraft für Lagerlogistik bis zu Speditionskaufleuten werden sich am Standort verschiedene Tätigkeiten aus den Bereichen der Logistik wiederfinden. Zusätzlich werden Ausbildungsplätze in den Berufsbildern geschaffen.
Welchen Einfluss wird die Neuansiedlung steuerlich für den Gemeindehaushalt haben?
Menne: Der Standort wird durch eine Betreibergesellschaft mit Sitz in Nottuln betrieben werden. Zusätzlich stehen der Gemeinde Flächen für neue Gewerbeansiedlungen durch die Ansiedlung zur Verfügung, die ebenfalls Gewerbesteuer und Lohnsteuer generieren werden.
Wie kann die Erschließung des Geländes erfolgen, ohne dass sich die Verkehrssituation auf dem Beisenbusch weiter zuspitzt?
Menne: Der kritische Punkt ist die Ampelkreuzung zur Bundesstraße 525. Hier sind wir proaktiv auf den Landesbetrieb Straßen.NRW zugegangen, um zu klären, wie sich die Situation an diesem Knotenpunkt lösen lässt. Weitere Ansatzpunkte wird hierzu gewiss auch das Verkehrsgutachten geben, das wir in Auftrag gegeben haben. Wichtig ist mir zu betonen, dass die Lkw-Fahrten vom und zum Logistikzentrum den Berufsverkehr nicht wesentlich beeinträchtigen werden, da sie in der Regel über den Tag verteilt und zum Teil antizyklisch stattfinden.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Menne: Neben dem Verkehrsgutachten werden aktuell weitere Gutachten erstellt: z. B. der Umweltbericht einschließlich Artenschutzprüfung, ein Lärm- und Schallgutachten, ein Abstandsgutachten und ein Gutachten für die Entwässerungsplanung. Dabei wird der Hellerbach besonders in den Fokus rücken. Mehrere Regenrückhaltebecken mit in Summe ca. 3.500 Kubikmetern Fassungsvermögen auf dem Grundstück werden die Ableitung in den Hellerbach drosseln und für einen wirksamen Hochwasserschutz sorgen. Wir werden zudem unsere transparente Kommunikation beibehalten. So ist für den 11. Dezember eine Adventsaktion vor Ort geplant. Es soll ein Familienevent unter anderem für die Beschäftigten von Raiffeisen-Märkten und Genossenschaften werden. An diesem Tag wird auch über das Bauvorhaben informiert. Und im ersten Quartal werden wir gemeinsam mit der Gemeinde in Form der ersten öffentlichen Beteiligung über den dann aktuellen Stand berichten. Wir rechnen in der zweiten Jahreshälfte 2022 damit, Planungsrecht für das Projekt zu bekommen.
Es bleibt dabei, dass Anfang 2023 mit dem Bau begonnen werden soll?
Menne: Ja, so ist unser Plan. Wir sind sicher, dass wir den konstruktiven Austausch mit Rat und Verwaltung, den übergeordneten Behörden und der interessierten Bürgerschaft fortsetzen werden. Für den Wirtschaftsstandort Nottuln wird unser Logistikzentrum, verbunden mit der Option für die Gemeinde Nottuln, angrenzend auch weiteres Kleingewerbe anzusiedeln, positive Impulse setzen. Außerdem legen wir bei der Realisierung des Bauvorhabens sehr viel Wert darauf, örtliche und regionale Betriebe einzubinden.