Ein Wunschzettel für die Landwirtschaft

Von AGRAVIS-CEO Dr. Dirk Köckler

News vom 20.12.2021

Dr. Dirk Köckler, Vorstandsvorsitzender der AGRAVIS, wünscht sich eine gemeinsame Kraftanstrengung von Politik, Landwirtschaft und dem Handel
Dr. Dirk Köckler, Vorstandsvorsitzender der AGRAVIS, mit einem Wunschzettel an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Die Frage, wie es mit Corona weitergeht, beschäftigt uns alle. Genauso wie die Frage, wie wir in den nächsten Jahren die notwendigen Schritte Richtung Klimaneutralität erreichen. Es ist gut, dass die neue Bundesregierung jetzt ihre Arbeit aufgenommen hat und es ein dezidiertes Landwirtschaftsministerium gibt. Denn eines ist klar: Ohne Landwirtschaft keine erfolgreiche Klimapolitik. Daher gratuliere ich Cem Özdemir als neuem Bundesminister für Landwirtschaft und wünsche ihm für seine wichtige Aufgabe viel Erfolg. Wir freuen uns auf den Dialog, um die Bausteine der im Koalitionsvertrag beschriebenen Transformation in die Umsetzung zu bringen – zum Nutzen von Landwirtschaft und Verbrauchern.

Mit dem nahenden Weihnachtsfest und Jahresende beginnt aber auch die Zeit der Wunschzettel und der guten Vorsätze. Deshalb hier meine ganz persönlichen Wünsche für die Landwirtschaft - und an Minister Özdemir. Geschrieben nicht nur als Vorstandsvorsitzender der AGRAVIS Raiffeisen AG, sondern auch als Landwirt, Familienvater und interessierter Bürger.

1. Ein ehrlicheres Bewusstsein für Landwirtschaft

Es ist die Landwirtschaft, die uns alle hochwertig und preisgünstig ernährt. Diese Systemrelevanz muss uns allen bewusst sein. Die Hälfte der Flächen in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Fast eine Million Menschen erzeugen Waren im Wert von mehr als 50 Milliarden Euro im Jahr. Die Herausforderung: Anerkennung und Wertschätzung sind in der Regel Fehlanzeige - oftmals das Ergebnis von Unwissenheit, Wettbewerbsdruck und einer nie dagewesenen Distanz zwischen Teller und Erzeugung.

2. Weniger Gegensatz, mehr Dialog und Sachlichkeit

Das Denken in Gegensätzen wie Gut und Böse oder Bio-Nische vs. konventioneller Erzeugung bringt uns nicht weiter, da es nicht der Realität auf den Höfen entspricht. Es braucht ein gemeinsames Verständnis, wie wir Landwirtschaft weiterdenken. Unsere moderne Landwirtschaft ist heute schon viel nachhaltiger als es vielen bewusst ist und arbeitet aktiv an neuen Lösungen. Wir erkennen genauso, dass wir Vielfalt in der Landwirtschaft brauchen, um uns den Herausforderungen zu stellen, die vor uns liegen und gleichzeitig Lebensmittel für alle bezahlbar zu halten. Auch um die Emissionen weiter zu senken, brauchen wir hocheffiziente, moderne Betriebe, die in der Breite nachhaltige Landwirtschaft ermöglichen. Diese sinnvoll mit alternativen Formen von Landwirtschaft zu kombinieren und damit die Lebensgrundlage für die landwirtschaftlichen Familien zu sichern, ist eine gemeinsame Aufgabe.

3. Mehr Wertschätzung für Landwirt:innen und ihre Situation

Zur Ehrlichkeit im Umgang mit der Landwirtschaft gehört auch, dass es für die Landwirte zunehmend schwieriger wird, uns als Bevölkerung zu ernähren und selbst davon leben zu können: Typisch und bekannt ist das Beispiel, dass 4 Prozent des Geldes, das die Verbraucher:innen für Brot ausgeben, beim Bauern landet. 1950 waren es noch 45 Prozent. Hier ist auch der Lebensmitteleinzelhandel gefragt. Nur wenn Landwirtschaft sich lohnt, kann sie sich verändern.

Gleichzeitig nehmen Anforderungen an die Landwirtschaft zu: Ernten sichern, Ressourcen schützen, weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz, mehr Tierwohl und hohe Arbeitsbelastung bei maximalem Kostendruck. Hinzu kommen steigende Erwartungen der Verbraucher:innen an Qualität und Nachhaltigkeit, ohne dass die Zahlungsbereitschaft zunimmt. Das alles fordert Unternehmertum, das letztlich in den landwirtschaftlichen Familien nicht verloren gehen darf.

4. Stärkere Anerkennung der besonderen Rolle beim Klimaschutz

Die Landwirtschaft leidet unter dem veränderten Klima und will selbst gegensteuern. Der Agrarsektor in Deutschland ist der drittgrößte Emittent von Klimagasemissionen. Verantwortlich für die hohen Emissionen sind vor allem Methan aus der Tierhaltung sowie Lachgas aus der Stickstoffdüngung. Hier liefern wir durch technischen Fortschritt Antworten und wollen die Klimaziele erreichen. Zugleich ist der Agrarsektor aber durch Dürren und heftige Unwetter am stärksten betroffen vom Klimawandel. Die Folge sind schwer kalkulierbare Risiken, Mindererträge und ein Rückgang der Wertschöpfung pro Hektar. Oft vergessen wird, dass die Landwirtschaft auch CO2 bindet, Kulturlandschaft erhält und die Biodiversität fördert.

Diese besondere Rolle müssen wir anerkennen und der Landwirtschaft dabei helfen, sich anzupassen und Emissionen zu senken. Die Voraussetzungen dafür sind gut, denn Landwirt:innen denken und handeln seit Generationen enkeltauglich und nachhaltig und haben mit der notwendigen Transformation längst begonnen.

5. Mehr Unterstützung für Landwirt:innen

Die Transformation betrifft uns alle und ist größer als der einzelne Landwirt. Das Potenzial ist riesig, mit innovativer Produktentwicklung, moderner Agrartechnik und Smart-Farming-Konzepten Emissionen zu senken und sich dem verändernden Klima anzupassen. Für den einzelnen Landwirt sind die Hürden aber noch zu hoch. Wir müssen Landwirt:innen deshalb in dieser historischen Transformation unterstützen. Dabei geht es auch um digitale Technologien und den Umgang mit Daten. Nur wenn wir diese gemeinsam erheben, zusammenführen, auswerten und der Landwirtschaft die Datenschutzgarantie geben können, kommen wir als Landwirtschaft insgesamt vorwärts.

Genauso geht es um faire Rahmenbedingungen und auch finanzielle Ressourcen für den Übergang. Vertrauensschutz in und für Investitionen, die annähernd eine Generation benötigen, bevor sie sich amortisieren.

Wünschen kann man sich viel. Wir haben uns bei AGRAVIS bereits auf den Weg gemacht, die Landwirtschaft in dieser historischen Transformation zu unterstützen. Mit pflanzenbaulichen und technischen Innovationen, mit dem Verkauf und Beratung bei satellitengestützten Lenksystemen, die Maschinen zentimetergenau über den Acker führen. Auf der Grundlage von Satellitenbildern beackern wir unsere Felder beispielsweise auf unserer „Future Farm“ im niedersächsischen Suderburg bodenschonend. Die Daten über unseren ökologischen Fußabdruck auf Äckern können wir messen und anhand dieser Erkenntnisse verbessern. Dabei zeigt sich immer wieder: Wir müssen einfach loslaufen, ausprobieren und lernen. Mit der Future Farm haben wir deshalb ein Experimentierfeld für Smart Farming geschaffen, um für unsere Kunden die Digitalisierung der Landwirtschaft in die Praxis zu übersetzen und die verschiedenen Systeme zusammenzuführen. Trotzdem bleibt es eine gemeinsame Kraftanstrengung. Deshalb werden wir bei AGRAVIS alles daransetzen, diese Wünsche in den nächsten Jahren Realität werden zu lassen. Gemeinsam mit Cem Özdemir und allen Landwirt:innen, die jeden Tag daran arbeiten, diese Transformation im Generationenvertrag unserer landwirtschaftlichen Familien erfolgreich zu gestalten. In diesem Sinne frohe Weihnachten, einen guten Rutsch und einen erfolgreichen und gesunden Start ins Jahr 2022.

Ihr Dr. Dirk Köckler

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