Rekordpreise auf dem Düngemittelmarkt

News vom 22.10.2021

Ralf-Georg Dinter; Düngemittel
Ralf-Georg Dinter, Leiter Produktgruppe Düngemittel im Bereich Pflanzenbau bei der AGRAVIS

Neben anderen Experten stellte sich Ralf-Georg Dinter, Leiter Produktgruppe Düngemittel im Bereich Pflanzenbau der AGRAVIS, den Fragen der Land&Forst-Redaktion – daraus ist folgende Veröffentlichung in der Land&Forst entstanden:


So eine Situation hatten wir noch nie

Die Preise für Stickstoffdünger sind in nie gekannte Höhen angestiegen. Die noch verfügbaren Mengen auf dem Markt sind knapp. Zurzeit sieht es absolut nicht nach Entspannung auf diesem Markt aus.

Vergangene Woche verging kaum eine Nachrichtensendung, in der nicht auf die hohen Gas- und Energiepreise sowie deren Folgen hingewiesen wurde. Und auch Leser meldeten sich bei uns und wollten gerne wissen, wie die Preisentwicklung bei Düngemitteln weitergeht. Wir haben nachgefragt.

„Vor etwa eineinhalb Jahren gab es bei Öl und Gas einen preislichen Tiefpunkt“, blickt Ralf-Georg Dinter von der AGRAVIS Raiffeisen AG in Hannover zurück. Damals wütete weltweit die Coronakrise und drosselte die Produktion in vielen Bereichen. Das hatte Auswirkungen auch auf die Energienachfrage, sie ging zurück.

Mittlerweile hat sich die Situation komplett gedreht. Die Gas- und Strompreise erklommen ungeahnte Höhen. „Seit neun Monaten steigen die Energiepreise und seit Juni hat sich der Großhandelspreis für Erdgas vervierfacht“, schildert Dinter weiter. Das hatte massive Auswirkungen auf die Düngemittelproduktion und Düngemittelpreise. Kostete der Kalkammonsalpeter im Januar dieses Jahres noch 200 Euro/Tonne ist er bis heute auf 600 Euro/Tonne gestiegen. Dinter: „Mit diesem Höhenflug hat keiner in der Branche gerechnet.“

Auch die namhaften Produzenten von Stickstoffdüngern zeigen sich von dem schnellen und steilen Preisanstieg beim Erdgas auf über 60 Euro/MWh (normal 15 bis 20 Euro/MWh) überrascht. „Einen solchen Preisanstieg gab es noch nicht“, so Christopher Profitlich von SKW Piesteritz. Der Rohstoff Erdgas wird bei SKW für die Erzeugung von Ammoniak benötigt. Die Erzeugung von Ammoniak aus teurem Erdgas macht wirtschaftlich für das Unternehmen in Sachsen-Anhalt keinen Sinn, so Profitlich. Denn es ist nicht zu erwarten, dass die hohen Erzeugungskosten über den Produktpreis wieder einzunehmen sind.

Die logische Konsequenz bei SKW wie auch bei anderen Produzenten wie Yara, BASF oder dem amerikanischen Hersteller CF Industries ist die Drosselung ihrer Produktionskapazitäten für Stickstoffdünger. Insgesamt wurden so in Europa 20 Prozent der Kapazitäten erstmal vom Markt genommen. Ob sie jemals wieder in vollem Umfang zurückkommen, ist zurzeit nicht zu beantworten.

Die Hintergründe für den starken Preisanstieg bei fossilem Gas und damit letztendlich auch Strom, der noch überwiegend aus fossiler Energie erzeugt werden muss, erklärt Dietmar Bücker von der EWE AG in Oldenburg: „Nach einem starken Nachfragerückgang infolge der Coronakrise ist die Nachfrage nach Erdgas in Europe und der Welt, hier vor allem durch Asien und China, sehr stark angestiegen.“ Gleichzeitig liefern die Russen weniger Erdgas nach Europa. Sie könnten zwar, aber dafür müsste die Politik tätig werden. Deshalb wird die Öffnung der Gaspipeline Nordstream II von der betroffenen Wirtschaft gefordert.

Die Füllstände in den eigenen EWE-Gasspeichern liege zurzeit unter 80 Prozent, doch bezeichnet Bücker diese Menge als auskömmlich für die Versorgung. Bei den aktuell hohen Erdgaspreisen sei aber nicht damit zu rechnen, dass die Speicher so bald wieder aufgefüllt werden können, um die Versorgungslage bei Gas zu verbessern. Die Lage bleibt hier also angespannt.

Laut Wetterprognosen rechnen Experten im Herbst mit weniger Wind und damit weniger Windstrom. „Das ist ein weiterer Grund, warum die Nachfrage nach Erdgas steigen wird, denn zur Stromerzeugung müssen dann auch Gaskraftwerke einspringen“, so Bücker. Letztendlich wird Erdgas in Europa durch die CO2-Bepreisung verteuert. Der CO2-Preis macht am Gaspreis zurzeit 7 Prozent aus. Aber er wird steigen.

Aktuell können sich die Landwirte freuen, die ihren Stickstoffdünger noch zu günstigeren Konditionen als den jetzigen einkaufen konnten. „Vor wenigen Wochen haben wir unseren Landwirten geraten, sich noch mit Stickstoffdünger für die Startgabe im Frühjahr einzudecken“, so Heinrich Domröse von der Backmann & Domröse Unternehmensberatung. Wer jetzt noch Dünger für die Startgabe ordern muss, ist neben hohen Preisen auch mit knapp gefüllten Lagern beim Handel konfrontiert. „Bezüglich der Beschaffung von Düngemitteln reagieren Landwirte und Handel immer sehr heterogen, auch in diesem Jahr“, berichtet Dinter. Es gibt immer Akteure am Markt, die auf sinkende Preise hoffen.

Doch dafür sieht Dinter in den nächsten Monaten keinen Grund. Für die erste Stickstoffdüngung im Frühjahr ist in der EU genug Dünger am Markt, doch für weitere Düngermengen könnte es mit der Versorgung knapp bleiben. Denn auch weltweit ist die Nachfrage nach Stickstoffdüngern angezogen. Dinter: „Die Erzeugerpreise für Getreide und andere Kulturen sind sehr gut und das kurbelt die Produktion weltweit weiter an.“ Noch sind die Stickstoffdünger auf dem Weltmarkt günstiger als in der EU. Das wird sich laut Dinter bald ändern.

Andere Mineraldünger wie Phosphor und Kali sind auf dem Weltmarkt bereits teurer als in der EU. Auch hier zeige sind die weltweit starke Nachfrage nach diesen Nährstoffen, so Dinter. Selbst, wenn die Lieferung von russischem Gas nach Europa gesteigert werden sollte und damit die Gaspreise wieder sinken könnten, rechnen Experten nicht damit, dass die Preise für Düngemittel so bald wieder stark nachgeben werden. Dinter: „Die vom Markt genommenen Produktionskapazitäten für Stickstoffdünger werden so schnell nicht ersetzt werden können.“ Außerdem bleibt in Europa die CO2-Abgabe und diese könnte noch steigen.

Steigende Mineraldüngerpreise steigern den Wert von Gülle und Gärresten (dazu mehr in unserer nächsten Ausgabe). Das macht sich bemerkbar. „Es kommt längst nicht mehr so viel Gülle nach Ostfriesland wie sonst“, berichtet Heiko Wäcken vom Beratungsring Ostfriesland e.V. in Aurich. Zum einen sind Stallkapazitäten in den Veredlungsregionen stillgelegt worden, zum anderen wüssten die Landwirte ihren Wirtschaftsdünger gerade sehr zu schätzen. Gülle ist knapp und Ackerbauern, die noch welche bekommen, können sich glücklich schätzen. „Wer technisch entsprechend ausgerüstet ist, kann die Gülle im Frühjahr zur ersten Gabe auch bodenschonend ausbringen“, berichtet Wäcken.

Vor dem Hintergrund der angespannten Preissituation bei Mineraldüngern hält der Geschäftsführer des Beratungsrings in Aurich die 170-Kilogramm-N-Grenze, vor allem auf Grünland, für absolut nicht mehr nachvollziehbar. „Das hindert die Landwirte daran, ihre Gülle optimal im eigenen Betrieb zu verwerten“, so Wäcken.

Auch für die Ackerbauern in Südniedersachsen lautet die Devise, zur Startgabe ganz auf Wirtschaftsdünger zu setzen. Domröse: „Wir empfehlen 1 Dezitonne Kalkammonsalpeter als Primingeffekt, den Rest aus Gülle und Gärresten, das wars.“ Die Böden könnten nachliefern. Es ist gut, die Nährstoffversorgung seiner Böden zu kennen, um Dünger zu sparen, wo es geht. Wichtig ist eine gute Kalkversorgung der Böden, denn dadurch wird die Nährstoffausnutzung verbessert.

Generell gilt zurzeit, die Nerven zu bewahren. Von überteuerten Düngerkäufen wird abgeraten. Es besteht die Hoffnung, dass sich die Situation zum Frühjahr hin entspannt. Allerdings wird das von weiteren Faktoren abhängen, wie z. B. der Stärke des Winters und den Füllständen in den Gasspeichern.

Von Edith Kahnt-Ralle, Redakteurin Energie und Pflanzenbau bei der Land&Forst

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