Wetterkapriolen sind das täglich Brot der Landwirtinnen und Landwirte, die sich mit den Extremen auskennen. Doch die aktuelle, angespannte Hochwasser-Situation und die starken Regenfälle in Niedersachsen, dem Süden Sachsen-Anhalts und im Norden Thüringens zeigt inzwischen Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebe im Arbeitsgebiet der AGRAVIS. Betroffen sind vor allem Felder und Flächen entlang der Weser, der Hase, der Hunte, der Aller, der Leine sowie der Ems. Die Überflutungen können bei allen Kulturpflanzen zu Ertragsverlusten führen. Besonders hart trifft es Standorte mit schwereren, generell zu Staunässe neigenden Bodenverhältnissen. In Mitleidenschaft genommen werden Winterkulturen wie Winterweizen, Wintergerste und teils auch Winterraps. Anhaltende Staunässe sorgt im Boden für Sauerstoffmangel, so dass Pflanzen sich nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgen können. Dies hemmt das Spross- und Wurzelwachstum und der Mangel führt zu Vergilbungen und beschleunigter Blattseneszenz. Der Witterungsverlauf im Frühjahr kann jedoch eine Regeneration der gestressten Pflanzen ermöglichen.
AGRAVIS Niedersachsen-Süd GmbH: Viele Felder sind verschlemmt
Im AGRAVIS-Arbeitsgebiet zeichnet sich ein unterschiedliches Bild ab. Rainer Widdel, Geschäftsführer der AGRAVIS Niedersachsen-Süd GmbH (ANS), fasst die Lage für das Gebiet der ANS zusammen: „Aufgrund des nassen Herbstes konnten bereits einige Flächen nach der Rübenernte nicht mit Winterweizen bestellt werden. Nun führten die extremen Niederschläge im Dezember in vielen Teilen unseres Arbeitsgebietes im Bereich der Flussläufe zu Überschwemmungen.“ Ob es die Saat in diesen Bereichen überlebe, bleibe abzuwarten, sei aber eher unwahrscheinlich, so Widdel weiter. „Viele Felder sind verschlemmt und die jungen Pflanzen kommen nur schwer gegen die Feuchtigkeit an.“ Nun sei der Blick nach vorn wichtig und vor allem die Fragen: Wann hört es auf zu regnen und gibt es Frost und sogar Schnee? „Zuspitzen könnte sich die Situation, wenn Kahlfröste kämen“, sagt Rainer Widdel. Befahrbar seien die Felder aktuell nicht, was vor Februar allerdings auch nicht nötig sei. Ob Felder umgebrochen und neu eingesät werden müssen, müssen die nächsten Tage und Wochen zeigen.
AGRAVIS Westfalen-Hessen GmbH: Dauerregen verlagert Arbeit ins Frühjahr
In weiten Teilen Ostwestfalens und Nordhessens hat der Dauerregen deutliche Spuren hinterlassen. „Die Getreide-Herbstaussaat ist aufgrund der schlechten Befahrbarkeit der Felder noch rund zur Hälfte ohne Herbizidbehandlung. Die Quote liegt derzeit erst bei 60 Prozent anstelle der zu dieser Zeit sonst üblichen fast 90 Prozent“, erläutert Stefan Bobbert, Pflanzenbauberater bei der AGRAVIS Westfalen-Hessen GmbH. Die Folge: „Im Frühjahr wird mehr Behandlung nötig sein, gerade beim Ackerfuchsschwanz, das könnte dann eine Herausforderung werden. Viel Arbeit drängt somit ins Frühjahr hinein.“ Überschwemmungen und gesättigte Böden beeinträchtigen auch das Wachstum der Pflanzen. Das könne zu einigen Teilumbrüchen im Frühjahr führen, so Bobbert.
In der Region sind rund 90 Prozent der Aussaat im Boden, der größte Teil konnte unter normalen Bedingungen ausgebracht werden. Ab dem 20. Oktober gab es jedoch erschwerte Bedingungen. Wegen der starken Nässe war meistens ein Pflugeinsatz nötig, um noch ein ansprechendes Saatbeet zu schaffen. Nach diesen späten Aussaaten unter mäßigen Bedingungen regnete es sehr. „Die Schäden sind zurzeit nicht abschätzbar. Allerdings sehen die frühen Saaten gut aus und haben sich stark entwickelt. Stärker beeinträchtigt sind die Spätaussaaten. Wenn nach diesen großen Niederschlägen noch stärkere Fröste dazukommen, kann das zu größeren Ausfällen und Umbrüchen im Frühjahr führen. Die wahren Auswirkungen werden erst im März/April sichtbar“, hält Stefan Bobbert fest.
Aufgrund der aktuellen Situation ist die Nachfrage nach Sommergetreidesaatgut rund dreimal so hoch wie in den Vorjahren. „Saatgut ist verfügbar und alle Fruchtwünsche sind erfüllbar. Jedoch können wir nicht auf alle Sortenwünsche eingehen. Bei speziellen Anfragen raten wir zur rechtzeitigen Kontaktaufnahme und Bestellung“, erläutert Stefan Bobbert.
Generell rät der Fachmann derzeit dazu, Ruhe zu bewahren und Flächen erst dann zu bearbeiten, wenn sie ausreichend abgetrocknet sind: „Ob die Felder befahrbar sind, ist momentan nicht entscheidend. Im Frühjahr trocknen sie nach dem Regen meist schnell ab. Dennoch wird es bekannte, kritische Flächen geben, auf denen Landwirtinnen und Landwirte lange nicht fahren können. Dort kann organischer Dünger oft erst sehr spät ausgebracht werden. Auch die Aussaat wird dort etwas später stattfinden. Landwirtschaftliche Betrieb sollten auf eine spätere Saat setzen, wie beispielsweise Sommergerste, die bis weit in den April gedrillt werden kann.
AGRAVIS Ems-Jade GmbH: Erhöhte Saatgutnachfrage ist gut belieferbar
Die Lage im Geschäftsgebiet der AGRAVIS Ems-Jade schildert Getreidehändler Hilko Kroon: „In der Region Ostfriesland und Friesland haben die Landwirtinnen und Landwirte ihr Wintergetreide im Herbst überwiegend ausgesät. Die Quote liegt im Vergleich zum Vorjahr bei 75 Prozent. Wegen des einsetzenden Regens konnte jedoch nicht mehr jede Fläche ausreichend behandelt werden. Wir rechnen damit, dass einige dieser Flächen aufgrund der Witterung neu mit Sommergetreide bestellt werden müssen.“ Aufkommende Fröste können das Bild nochmal verschlechtern, da das Getreide weiterhin im Wasser steht, so Kroon. „Wir gehen daher von einer mengenmäßig deutlich geringer ausfallenden Ernte 2024 aus.“ Die derzeit erhöhte Nachfrage nach Saatgut kann die AGRAVIS Ems Jade GmbH gut bedienen. „Momentan können die Landwirtinnen und Landwirte ihre Felder meist nicht befahren. Dies würde sich bei länger ausbleibendem Regen allerdings wieder stark verbessern. „In unserem Gebiet stehen die Felder lange nicht so schlimm unter Wasser, wie zum Beispiel im Raum Oldenburg oder Bremen“, hält Kroon fest.