AGRAVIS Marktbericht

Eine aktuelle Bewertung der Ernte 2019/2020

Die Erntesaison 2019/2020 hat begonnen. Jost Schliep aus dem Bereich Agrarerzeugnisse der AGRAVIS liefert eine erste Einschätzung der Marktsituation.

Die Preiserwartungen an die durch Trockenheit stark verminderte Ernte 2018 haben sich nur bis zum Jahreswechsel erfüllt. Ab Februar 2019 verloren die Getreidepreise wider Erwarten deutlich: Weizen an der Matif verliert etwa 20 Euro/Tonne und bewegt sich seitdem seitwärts um die 180 Euro alterntig, Mais verliert 15 Euro/Tonne und bleibt bei 165 Euro stehen, und Raps geht im gleichen Zeitraum um 10 Euro/Tonne zurück. Gleichzeitig sanken auch die Prämien für physisches Getreide um zirka 15 Euro/Tonne.

Aktuelle Situation: Weizen

Für Weizen wie für Mais sind die weltweiten Ernteprognosen weiterhin gut. Trotz der deutlich geringeren Weizenernte 2018 in der Europäischen Union und in Russland konnte sich der globale Endbestand in etwa halten und liegt klar über einem Drittel der Verbräuche. In der auslaufenden Kampagne wurden die geringeren Ernten Russlands und Südamerikas durch entsprechend geringere Verbräuche kompensiert. Mit dem deutlich höher erwarteten Angebot der kommenden Ernte 2019 durch hohe Flächenzuwächse und normale Erträge müssten die Verbräuche auch hier wieder entsprechend anziehen, um die Bilanz annähernd stabil zu halten. In allen wichtigen Anbaugebieten hat sich die Getreidefläche spürbar vergrößert; das sollte zu einem entsprechend reichhaltigeren Angebot führen. Besonders die Witterungsentwicklung der vergangenen Monate führt zu hohen Ernteerwartungen in der Ukraine und Russland (wie in 2017/18) – und wird die EU-Ware somit unter starkem Druck halten.

Aktuelle Situation: Mais

Obwohl das US-amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) für Mais einen weltweiten Bestandsabbau von 26 Millionen Tonnen prognostiziert, zeigt sich auch hier eine komfortable Versorgungslage. Zum einen liegen die Ernten in Südamerika nach schwachen Vorjahren nahe neuer Rekordwerte, zum anderen wird – trotz noch zu nassem Wetter – im Nordwesten der USA mit 92 Millionen Acres Aussaatfläche gerechnet; das ergäbe bereits bei einem durchschnittlichen Ertrag von 170 Bushel/Acre eine über dem Vorjahr liegende Gesamternte. Gerade in den USA hebt der politisch gewollte, klar unter den Erwartungen liegende Ethanolverbrauch aber auch den Carry-in für die neue Saison auf über zwei Milliarden Bushel an. Die Aussaatbedingungen in der Ukraine und Russland sind aktuell sehr gut und lassen erneut eine große Ernte erwarten, wenn auch die extrem gute ukrainische Ernte aus dem vergangenen Jahr von 35 Millionen Tonnen kaum wiederholt werden dürfte. Auch die EU kann in diesem Jahr mit ähnlichen Mengen wie 2017/18 deutlich mehr Mais einbringen, was den Importbedarf klar senken wird.

Aktuelle Situation: Raps

Die Rapsernte in Deutschland und der Europäischen Union hat wegen der deutlich geringeren Aussaatfläche wenig Potenzial, die Vorjahresmengen zu übertreffen – trotz besserer Erträge. Besonders in Rumänien und Ungarn litten die noch Anfang des Jahres besser situierten Bestände unter den dortigen trockenen Bedingungen. In der Ukraine dagegen ist nach heutigem Stand mit einer Rekordernte von über drei Millionen Tonnen zu rechnen, was Exporte jenseits von zwei Millionen Tonnen erwarten lässt, die zunächst nur auf die EU rechnen.

Die Rahmenbedingungen für Biodiesel vereiteln aktuell die weiter steigende Nachfrage, da die Beimischungsgrenze in Deutschland von sieben Prozent so gut wie erreicht ist, der gesamte Dieselverbrauch aber stagniert. Sollte die Wirtschaft in den kommenden Monaten an Kraft verlieren und der Lkw-Verkehr rückläufig sein, werden auch der Biodieseleinsatz und entsprechend die Nachfrage nach Rapsöl unmittelbar betroffen sein. Zusätzlich hält die weiterhin schwere weltweite Sojabilanz mit Rekordbeständen von knapp einem Drittel des Jahresverbrauchs eigene Preis-Rallyes für Raps gedeckelt.

Sollten also die kommenden Ernten normal bis gut ohne einschneidende Wetterprobleme durchlaufen, sind die Aussichten auf steigende Preise zumindest für die erste Jahreshälfte des Erntejahres 2019/20 mäßig. Erst wenn sich die Trockenheit der vergangenen Wochen weiter zeigt und zu nennenswerten Ausfällen besonders in der Schwarzmeerregion und der EU führt, ist ein deutlich anziehender Markt zu erwarten. Bis dahin sind kleinere Bewegungen aus dem Wettermarkt heraus nach oben als Verkaufschancen zu sehen.

Was kann die Märkte in den kommenden Monaten bewegen?

Ein Sprichwort besagt, dass die Märkte von Wetter und Politik bestimmt werden.

Wetterbedingte Einflüsse

In der Tat ist bis zu den erwartet hohen Ernten der nördlichen Halbkugel noch die entscheidende Wachstumsphase zu absolvieren. Die aktuell anhaltende Trockenheit in Europa kann ein erster Vorbote sein. Sollten sich die Hochdruckgebiete ähnlich 2018 bei uns festsetzen, sind Ertragsrücknahmen wahrscheinlich. Den künftigen Regenmengen fällt darum besondere Bedeutung zu, d.h. die Niederschlagsentwicklung in den Monaten Mai/Juni ist genau zu beobachten. In den USA wird das Wetter spätestens im Mai darüber entscheiden, ob die 92 Millionen Acre Mais tatsächlich ausgesät werden können, oder ob stattdessen auf die spätere Sojabohne ausgewichen werden muss.

Politisch bedingte Einflüsse

Politische Unsicherheiten bewirkten im vergangenen Jahr, dass trotz der wetterbedingt geringen Ernten die Preise seit Mai 2018 unter massiven Druck gerieten.

Der seit Mai 2018 alle Märkte belastende Zollstreit der USA mit China und der EU ist trotz zwischenzeitlicher Hoffnungen weiter ungeklärt. Der Zollstreit mit China betrifft vor allem Mais, Ethanol und Sojabohnen; deutliche Preiserholungen sind erst nach einer offiziellen Einigung zu erwarten. Wie schnell diese kommen könnte, ist aktuell kaum abzuschätzen. Die US-Präsidentschaftswahl ist im November 2020, die Vorwahlen beginnen im Februar 2020, spätestens bis dahin sollten positive Effekte einer Einigung spürbar sein. Das spricht für einen „Deal“ bis zum Sommer, was die Preise dann zumindest kurzfristig positiv beeinflussen könnte.

Die Differenzen zwischen Kanada und China durch die Festsetzung der Huawei-Chefin Meng Wanzhou führt zu einem Importstopp von Canola Raps nach China. Das wiederum beeinflusst den EU-Rapspreis negativ, denn die kanadischen Exportmengen drücken entsprechend anderweitig in den Markt und werden trotz GMO-Problematik auch verstärkt in der EU verarbeitet, wenn der Preisdruck groß genug ist.

Das aktuelle Verfahren der US-Umweltbehörde, kleineren und mittleren Mineralölfirmen die Verpflichtung der Ethanolbeimischung in immer größerem Umfang zu erlassen (sogenannte „waivers“), senkt den US-Maisverbrauch langsam aber stetig.

Der nahende Zollstreit der USA mit der EU sowie der sich hinziehende Brexit können unerwartete Verwerfungen in den Wechselkursen bewirken, die sich entsprechend auf die Getreidepreise auswirken und mögliche Preisprognosen erschweren.

Fazit

Gesamt gesehen bleibt die weltweite Getreide- und Rapsversorgung in 2019/20 aus heutiger Sicht komfortabel und hält die Preise entsprechend unter Druck. Nur anhaltende Wetterprobleme oder anstehende politische Entscheidungen könnten noch einen positiven Preisschub geben.

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