Chilla checkt!

Internationaler Getreidemarkt 2020/21

Unser Experte Bernhard Chilla analysiert in seiner aktuellen Kolumne die Chancen und Risiken für den deutschen Getreidemarkt 2020/21.

5.3.2020

Das Jahr 2020 scheint wieder einmal vor vielen Herausforderungen zu stehen, die direkt oder indirekt den deutschen Getreidemarkt beeinflussen: Beispielsweise ganz aktuell das Coronavirus und die Angst vor einer globalen Wirtschaftsrezession sowie der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in China und die Gefahr eines Schweinepestfalles in Deutschland. Eine Rolle spielen aber auch die sich verändernden Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft in Deutschland, die andauernden Handelsstreitigkeiten zwischen China und Australien bzw. China und Kanada, die wieder entflammte Syrienkrise sowie die wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran und der noch nicht vollendete Brexit.

Verbrauch wächst stärker als Produktion

All diese Faktoren führen sehr wahrscheinlich zu einer länger anhaltenden Preisvolatilität an den internationalen Börsen. Aus dem Handelsstreit der USA mit China ist zudem eine wichtige Erfahrung abzuleiten: Unsichere Marktaussichten sind eher keine guten Marktbegleiter.

Aus rein fundamentaler Sichtweise bleibt für den internationalen Getreidemarkt aber festzuhalten, dass der Getreideverbrauch (mit Ausnahme der chinesischen Statistik) seit 2017 stärker wächst als die Produktion. Vor allem für Weizen war dieser Trend zu beobachten. Davon konnte auch in diesem Wirtschaftsjahr der deutsche Weizenmarkt profitieren, da deutlich mehr Weizen exportiert werden konnte als noch vor einem Jahr erwartet wurde.

Weizenproduktion sinkt voraussichtlich

Ebenfalls im Wirtschaftsjahr 2020/21 sollte das globale Weizenangebot wieder in den Fokus rücken, zumindest auf der nördlichen Hemisphäre. Wie vor zwei Jahren in Deutschland konnte in Europa aufgrund von viel zu nassem Wetter nicht so viel Weizen ausgesät werden, wie die Landwirte im Herbst 2019 planten. Für die kommende Ernte waren davon vor allem England und Frankreich betroffen. Die Anbaufläche dürfte in Frankreich so niedrig werden wie zuletzt zur Ernte 2009, in England höchstwahrscheinlich das niedrigste Niveau seit mindestens 20 Jahren. Somit könnte auch bei überdurchschnittlichen Erträgen in allen EU-Staaten die Weizenproduktion im Vergleich zum Vorjahr kräftig sinken. Die ersten Weizenernteprognosen (ohne Durum) liegen derzeit zwischen 137 und 139 Mio. Tonnen nach 146 Mio. Tonnen in 2019/20.

Was die EU an Produktion verlieren kann, dürfte Russland an Produktion gewinnen. Der Anbau von Winterweizen wurde stark ausgedehnt, die Auswinterungsverluste nahezu kaum vorhanden nach einem milden Winter. In Russland sind die Marktbeobachter sehr optimistisch, 80 Mio. Tonnen und mehr Weizen zu produzieren nach 74 Mio. Tonnen in diesem Jahr.

Handelsströme verschieben sich

In der Ukraine dagegen ist die Anbaufläche gesunken. Da aber kaum Auswinterungsschäden zu erwarten sind, dürfte die Produktion gegenüber dem Vorjahr auch nicht stark fallen. Ähnlich die Ausgangslage in den USA. Stand Anfang März wird sich die Produktion im Vergleich zum Vorjahr kaum verändern. Somit kann derzeit davon ausgegangen werden, dass das Weizenangebot in den Exportländern auf der nördlichen Halbkugel im Vergleich zum Beginn des Wirtschaftsjahres 2018/19 gleich bleibt. Nur die Handelsströme sollten sich verschieben. Die wahrscheinlich fallenden Exporte Frankreichs und Englands werden teilweise durch Russland ausgeglichen. Auch Deutschland oder die baltischen Staaten könnten eine Lücke schließen, die Frankreich aufreißt.

Aber auch innerhalb der EU dürften sich die Handelsströme verschieben. England sollte von einem Nettoexporteur von Weizen zu einem Nettoimporteur werden. Deutscher Weizen kann wieder verstärkt im englischen Markt untergebracht werden. Somit bauen sich für den deutschen Markt mehrere Optionen auf. Auch für den Export in Drittländer sollte weiterverfolgt werden, ob weiterhin hohe Wirtschaftssanktionen gegen den Iran erhoben werden. Die Vergangenheit zeigt, dass im Falle von Wirtschaftssanktionen der Iran verstärkt Weizen importiert hatte, um das Inlandsangebot von Getreide zu erhöhen.

Nachfrage Chinas sehr wichtig

Doch um langfristig von knapperen Versorgungsbilanzen für Getreide zu sprechen, müsste sich auch die Versorgungslage beim Mais verändern. In den kommenden Monaten sollte sich zeigen, wie stark der US-Landwirt den Maisanbau ausdehnen wird und wie gut die brasilianische Maiserzeugung werden wird. Nur bei einem stark fallenden Angebot von Körnermais, von dem aktuell nicht auszugehen ist, sollte sich auch die globalen Getreideversorgung stark reduzieren.

Ein wichtiger Einflussfaktor für die globale Maisversorgungslage sollte die Nachfrage Chinas werden. Obwohl in China der höchste Anteil der globalen Maisvorräte liegt, importiert China weiterhin Mais. Neben der Ukraine könnte nach der Unterzeichnung des USA/China Handelsvertrages auch mehr US -Mais gefragt sein. In China ist seit dem Ausbruch des Coronavirus der Futtergetreidepreise durch die Unterbrechung der Lieferketten stark gestiegen.

Zukunft Englands spannend für Gerstenmarkt

Was an Weizenfläche in der EU verloren wurde, sollte mehr an Sommergerste angebaut werden. Dieses betrifft vor allem England. In England steht eine Rekordanbaufläche von Sommergerste vor der Tür, wenn das Wetter die Aussaat zulässt. Eine Rekordanbaufläche dürfte zu einer Rekordproduktion führen. Dadurch wird nun entscheidend für den EU-Gerstenmarkt werden, wie die Zukunft Englands für den EU-Markt sein wird. Wenn England künftig wie ein normales EU-Mitgliedsland behandelt wird, dann dürfte das Gerstenangebot wieder überdurchschnittlich hoch werden und auch deutsche Gerste in bestimmten Ländern (Futter- wie Braugerste) verdrängen. Durch das hohe Gerstenangebot steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Anteil der Gerste in den Futtermischungen hoch bleibt und auch Weizen ersetzt.

Afrikansiche Schweinepest droht nach wie vor

Wie gut die Futternachfrage in Deutschland und der EU sein sollte, wird ganz stark davon abhängen, wie hoch der Fleischimport Chinas wird. Durch den Rückgang der Schweinebestände nach der starken Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest sollten die Schweinefleischeinfuhren auch 2020 ähnlich hoch werden wie im Rekordjahr 2019. Davon konnte der deutsche Markt profitieren, da sehr viel Schweinefleisch nach China exportiert wurde. Die latente Gefahr lauert im Hintergrund aber immer noch, dass auch in Deutschland Fälle der Afrikanischen Schweinepest auftreten. Vor ein paar Jahren hatte die chinesische Regierung im Falle eines Ausbruches der afrikanischen Schweinpest in einem wichtigen Ursprungsland sofort die Importtüren geschlossen.

Wie entwickelt sich das Coronavirus?

Ein sehr interessantes Jahr steht insofern vor dem deutschen Getreidemarkt. Von Ernteausfällen und auch einer hohen Nachfrage Chinas kann auch der deutsche Getreidemarkt indirekt profitieren. Für eine knappe Weltversorgung müssen aber auch in anderen Getreidemärkten Ernteausfälle zu verzeichnen sein. Dafür ist noch ein sehr langer Weg zu gehen. Zudem steht über all diesen Faktoren die weitere Entwicklung der globalen Wirtschaft – wegen möglicher negativer Folgen als Resultat der Abschottung bestimmter Märkte aufgrund des Coronavirus. Im Falle eines Einbruches der Weltwirtschaft kann sich sowohl die Preisentwicklung von Getreide als auch die Nachfrage nach bestimmten Agrarerzeugnissen nicht entziehen.

Es handelt sich bei der obigen Analyse ausdrücklich nicht um eine Anlageempfehlung! Der Autor stellt lediglich seine persönliche Meinung nach Bewertung verschiedener Marktkriterien dar. Weder der Autor noch die AGRAVIS Raiffeisen AG können irgendeine Prognose bzgl. der Entwicklung von Rohstoffpreisen abgeben und weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese starken Schwankungen unterliegen können und von vielen teils unbekannten Faktoren beeinflusst werden.

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