Marktbericht Bio Dezember 2022

Alles Bio – und wie weiter?

Frank Deckert, AGRAVIS-Experte der biovis GmbH, blickt in seinem Marktbericht zum Thema Bio auf das Jahr 2022 und in die Zukunft.

Der folgende Marktbericht erschien auch in der Land und Forst-Ausgabe Dezember 2022.

Schon Mark Twain soll gesagt haben: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Und so denken wir Jahr um Jahr über mögliche Marktentwicklungen nach – und jedes Mal werden wir eines Besseren belehrt, weil uns die Realität einholt. Mitte Mai sah die Börsennotierung für konventionellen Weizen an der MATIF ihren Höchststand bei 417 Euro/Tonne – und alle setzten auf weiter steigende Preise, denn die Entwicklung kannte nur einen Weg: rauf! Dann aber drehte der Markt; wir verloren im konventionellen Getreide mehr als 100 Euro/Tonne, und auch Biogetreide folgte dem Sinkflug. Der größte Preistreiber für Biogetreide war somit der konventionelle Markt. Angebot und Nachfrage waren nicht so wichtig, vor allem ging es um den Abstand zum „normalen“ Markt. Ist dieser Abstand deutlich zu gering, wandert Ware in die konventionelle Gosse.

Bessere Ernte als befürchtet

Doch welche biospezifischen Faktoren gab es vor der Ernte? Schauen wir zunächst auf die Ernte selbst, so war sie, wie auch die Gesamternte, trotz der Trockenheit besser als zunächst befürchtet. Nun sind die Regionen, die im nördlichen Deutschland besonders gut gedroschen haben (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen), nicht eben bekannt für viel Biofläche. Und in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 15 Prozent Biofläche war die Trockenheit ein bestimmender Faktor. Trotz alledem aber blieb die Ernte gesamt gesehen verhältnismäßig unverändert zum Vorjahr bei etwa 1,2 Millionen Tonnen. Unterm Strich scheint von allem genügend da zu sein – und Hafer und Dinkel sind sogar zu viel vorhanden. Vor allem Dinkel ist wieder im klassischen Schweinezyklus und sucht dringend Abnehmer. Hier wird wohl etliches als Lagerbestand mit in die kommende Ernte genommen, zumindest aber scheint sich die diesjährige Aussaat deutlich reduziert zu haben.

Biogetreide konventionell vermarkten

Schon vor der Ernte ahnten wir, dass sich der Markt zwischen zwei Szenarien bewegen würde. Als bullisches, preisunterstützendes Szenario wurde das geringere Angebot an Getreideimporten gesehen. Wegen der deutlich höheren Transportkosten lohnt sich gerade aus dem Südosten Europas die Lieferung zu uns wenig bis gar nicht. Anders gesagt: Biogetreide konventionell zu vermarkten ist momentan manchmal durchaus wirtschaftlicher. Bei Lkw-Frachten von mehr als 100 Euro/Tonne aus Südosteuropa sowie generell wenig verfügbarem Frachtraum lohnt es sich besonders bei Futtergetreide nicht, einen solchen Aufwand zu betreiben Und natürlich spielt hier auch die Ukrainekrise hinein. Einerseits hat die Ukraine wegen der aktuellen Situation weniger Biogetreide angebaut oder konnte es nicht ernten. Und zudem fehlen besonders dem Biogetreide die erforderlichen Warenpapiere, um über die Grenze zu kommen und im Westen anerkannt zu werden. Wichtige Produkte, die damit von ukrainischer Seite aus fehlen, sind Soja und Mais.

Geringere Nachfrage nach Bioprodukten

Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die geringere Nachfrage nach Bioprodukten. Viele Konsumenten können sich Bioprodukte mit fortschreitender Inflation inzwischen schlicht nicht mehr leisten. Andere wiederum geben ihr Geld zumindest vorübergehend lieber für andere Zwecke aus. Entsprechend wird der Boom, der die Biobranche in den vergangenen Jahren vorantrieb, gebremst. Das aber gilt immerhin noch nicht für alle Produkte. Eier waren in den vergangenen Jahren bei den Wachstumsraten der Haupttreiber. So trug jedes siebte deutsche Ei ein Biosiegel, im Vergleich aber nur jedes 20. Schwein. Nun aber haben wir die Situation, dass sich in den Packstationen Bioeier zunehmend stapeln – nicht zuletzt natürlich, weil sie nun mal zumeist teurer sind. Und so kommt es inzwischen zu kuriosen Folgen, dass Bioeier hier und da schon preisgünstiger als konventionelle Eier verkauft werden, um zumindest auf diesem Wege einen Ertrag zu erzielen.

Umsatzsteigerung bei Biomilch

Bei der Milch ist die Situation ähnlich – und doch etwas anders. Gleich ist, dass die Landwirtinnen und Landwirte ihre steigenden Futterkosten nicht durch höhere Erzeugerpreise ausgeglichen bekommen. Doch im Unterschied zum Bioei hat Biomilch fast den gleichen Preis wie „normale“ Milch, und konventionelle Heumilch ist teilweise sogar teurer als Biomilch. So konnte im vergangenen Jahr Biomilch seinen Umsatz noch um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern.
Bei den Schweinen wiederum sind die Erzeugerpreise weiterhin sehr unterschiedlich. Biobäuerinnen und Biobauern bekommen mit 4,20 Euro je Kilogramm Schlachtkörper zwar rund das Doppelte eines konventionellen Schweins – dennoch ist die Schweineproduktion im Biobereich weiter unterrepräsentiert.

Schwere Zeiten für Biotierhalter:innen

Zusammenfassend bekommen Biotierhalter:innen trotz gestiegener Futterkosten kein entsprechendes Aufgeld für ihre Produkte – und zunehmend mehr Biobäuerinen und -bauern überlegen ernsthaft, wieder konventionell zu wirtschaften. Und auch die Mehl- und Ölmüller:innen rechnen unterdessen mit weiteren Eintrübungen bei stagnierenden oder rückläufigen Umsätzen.

Wie wird es nun weitergehen? Vieles hängt ganz klar vom Konsumenten ab. Sollten die Rezessionssorgen wieder abklingen, Lohnsteigerungen die Konsumbereitschaft steigern, der konventionelle Markt deutlich anspringen, dann erlebt vielleicht auch der Biomarkt wieder einen Aufschwung. Ansonsten fehlt hier das Potenzial für eine deutlich positive Entwicklung.

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