Trockenheit im Frühjahr 2020

Regional große Unterschiede

Nach den für die Landwirtschaft viel zu heißen und trockenen Sommern 2018 und 2019 beeinflusst die derzeitige Trockenperiode die Arbeit der Landwirte erneut. Der AGRAVIS-Experte für Agrarerzeugnisse, Bernhard Chilla, bewertet die aktuelle Situation. Experten aus unterschiedlichen Regionen des AGRAVIS-Arbeitsgebietes berichten zudem von ersten Herausforderungen durch fehlende Niederschläge.

AGRAVIS-Experte Bernhard Chilla

Wasserversorgung im Raps kritisch

Nicht nur die Corona-Krise mit all ihren Auswirkungen hat Deutschland fest im Griff, sondern auch die Trockenheit treibt Landwirten die ersten Sorgenfalten auf die Stirn. Zwar ist die aktuelle Wetterlage günstig für die anstehenden Feldarbeiten und auch die Maisaussaat kommt sehr gut und zeitig voran. „Aber die Bodenfeuchtigkeit sinkt drastisch, vor allem auf den leichten Böden. Besonders hierbei rückt daher die weitere Entwicklung des Rapses in den Fokus“, betont Bernhard Chilla. Von ersten Frostschäden wurde lokal schon Ende März und Anfang April berichtet. Nun kommt der Raps in die wichtigste Wachstumsphase und der Wasserbedarf ist hoch. „Die Jungpflanzen brauchen aufgrund der sinkenden Bodenfeuchtigkeit in den kommenden zwei Wochen sehr viel Niederschlag, ansonsten sinken die Ertragsaussichten teilweise kräftig“, erläutert der Experte. Nicht nur in Deutschland sollen sich die Wachstumsbedingungen für den Raps verschlechtert haben, sondern auch die Nachbarstaaten Frankreich und England berichten von schwächeren Rapsbeständen. Somit kann Stand Mitte April wie schon im Vorjahr von keiner guten bis sehr guten Rapsernte in der EU ausgegangen werden.

Aktuell kein Wassermangel im Getreide

Auf den Weizen und die Wintergerste hat die aktuelle Wetterlage derzeit noch keine derartigen Auswirkungen. „Sowohl die Weizen- als auch die Wintergerstenbestände kamen sehr gut aus dem Winter“, schildert Chilla und ergänzt: „Bei einer fortwährend trockenen Wetterlage könnten sich die Wachstumsbedingungen allerdings auch hier verschlechtern.“ Vor allem beim Weizen ist der Zeitpunkt Mitte April zu früh, um hierzulande konkrete Ernteprognosen abzuleiten. Für das Weizenangebot rücken viel stärker die Ernteaussichten in den Anrainerstaaten des Schwarzmeeres in den Fokus. Dort fiel schon seit Anfang März in den wichtigsten Anbauregionen kaum Regen. Der Weizen ist dort weiterentwickelt als hierzulande und Niederschlag ist dringend notwendig. Ansonsten sollte die diesjährige Weizenernte in Russland und der Ukraine deutlich kleiner ausfallen als die bislang überdurchschnittlich hohen Ernteerwartungen.

Entspannte Situation in Ostfriesland

In Ostfriesland ist das Thema Trockenheit generell noch kein gravierendes Problem. Im ersten Quartal haben sich die Niederschläge aus dem nassen Herbst 2019 fortgesetzt. Eine zeitige Bearbeitung der Flächen war nur in kurzen Zeitfenstern im Februar möglich. „Die Böden sind durch die vergangenen sechs Monate im Unterboden noch ausreichend mit Wasser versorgt“, sagt Thomas Bathow, Pflanzenbauberater bei der AGRAVIS Ems-Jade GmbH. Dennoch sei die Gefahr einer weiteren Frühjahrstrockenheit mit neuen Schäden gegeben. Drei Wochen ohne nennenswerte Niederschläge lassen die ersten landwirtschaftlichen Betriebe nervös werden. „Gesäte Gräser oder Sommerungen sind immer noch nicht gekeimt oder verharren, auch aufgrund von Nachfrösten, im Keimblatt“, erklärt Bathow. Durch die Niederschläge ab Oktober werden 2020 vermehrt Sommerungen gesät. "Eine Bearbeitung der Flächen war größtenteils erst ab Mitte März sinnvoll, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen."

Fehlende Niederschläge im Osten

Im Arbeitsgebiet der AGRAVIS Ost ist die Trockenheit flächendeckend zu spüren: „Je weiter man sich nach Osten bewegt, desto trockener wird es“, berichtet Wilhelm Winkelmann, Agrarhändler bei der Baro Lagerhaus GmbH. Polen und Tschechien hätten mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Im Januar und Februar war der Niederschlag noch relativ normal. „Seit März hat es jedoch ziemlich wenig geregnet. Vor allem der Raps hat durch Wassermangel und Bodenfrost sehr gelitten. Wir hoffen aktuell auf Regen, da die Wasserreserven im Boden stetig sinken“, betont Winkelmann.

AGRAVIS-Expertin Imke Hansing

Wetterextreme und Schadnager setzen Grünland zu

Imke Hansing von der AGRAVIS Pflanzenbau-Vertriebsberatung sieht Schwierigkeiten auf viele landwirtschaftliche Betriebe zukommen. Grund dafür sind die Wetterextreme. Zwar habe es in ihrem Arbeitsgebiet in Nord-Niedersachsen grundsätzlich ausreichende Niederschlagsmengen gegeben, „jedoch sind sie schlecht verteilt“, erläutert die Pflanzenbau-Expertin. Manche Böden konnten die Wassermassen schlicht nicht aufnehmen. Das Wasser blieb häufig an der Oberfläche. Bei den Unterböden hingegen kamen die Niederschläge nicht mehr an. Sie sind nach wie vor sehr trocken. Dadurch war die Befahrbarkeit auf den Wiesen nach Aufhebung der Sperrfrist nicht gegeben. Erst Mitte März war dies in vielen Fällen wieder möglich, obwohl Pflegemaßnahmen und Düngen auf den Flächen längst notwendig gewesen wären. Für den ersten Schnitt, den viele Betriebe Mitte Mai durchführen, wird es knapp. Denn erst in den vergangenen Tagen war eine Nachsaat möglich.

Starke Nachfrage nach Saatgut

Auf dem Grünland in Ostfriesland zeigen sich aktuell die Folgen vergangener Trockenperioden. Die Dürre 2018 und 2019 hatte ein deutlich höheres Aufkommen von Schadnagern zur Folge. Der milde Winter tat sein Übriges: Viele Kleintiere überlebten trotz anhaltender Niederschläge. Landwirte mussten vielerorts nachsäen. Saatgut für das Weideland und Wiesen wurde im Arbeitsbereich der AGRAVIS Ems-Jade GmbH stark nachgefragt. „Das genaue Ausmaß der Schäden in Ostfriesland rund um Aurich ist noch nicht zu beziffern“, betont Stefan Pielsticker, Geschäftsführer der AGRAVIS Ems-Jade GmbH.

Insekten richten großen Schaden an

Die Schadnager sind das eine Problem, die Larven der Tipula-Wiesenschnake das andere. „Oberirdisch und unterirdisch richten die Insekten großen Schaden an. An der Oberfläche erkennt man dies an kahl gefressenen Stellen an der Grasnarbe“, erklärt Imke Hansing. Schlimmer ist jedoch, wenn die Larven die Wurzeln im Erdreich abfressen. Das schädigt das Grünland nachhaltig. Messungen im vergangenen Herbst ergaben, dass die Schadschwelle von rund 300 Larven pro Quadratmeter vielerorts deutlich überschritten worden war. Aus diesem Grunde gab es auch eine Notfallzulassung für ein Insektizid, diese kam dann aber erst Mitte März. Für einen effektiven Einsatz des Mittels im Frühjahr müssten die Witterungsbedingungen passen, da die Erfolgschancen sonst eher schlecht seien, so Hansing. Wird es zu kalt, befinden sich die Larven zu tief im Boden und werden nicht erreicht. Erschwerend hinzu kommt, dass das Mittel aufgrund einer B1-Auflage nur begrenzt zum Einsatz kommen kann.

Flächen müssen sich regenerieren

In den vergangenen Tagen bemühten sich viele Landwirte um eine Nach- und Ansaat. Der Nutzen davon wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Denn es dauert, bis sich die Flächen regenerieren. Die Folge könnte ein Futtervakuum sein, da manche Betriebe keine Reserven haben. Viele Landwirte schicken ihre Kühe bereits auf das Land, das eigentlich für den ersten Schnitt vorgesehen ist. Das führt wiederum an anderer Stelle zu einer Versorgungslücke, da die Basis für das Futter zu gering ausfallen wird. Als Konsequenz denken nun viele Landwirte über schnell wachsende Ackergräser nach.

Wunsch nach Regen

Obwohl die Maisaussaat in den Startlöchern steht, wünscht sich die Pflanzenbau-Expertin aktuell Regen. „Die vergangenen Niederschläge waren einfach nicht ausreichend, vor allem im Hinblick auf die Entwicklung der Sommerung und des Grünlandes nach dem ersten Schnitt im Mai“, erklärt Imke Hansing. Denn ab dann ist bereits – das haben die beiden vergangenen Jahre gezeigt – eine Vorsommertrockenheit angebrochen. „Vieles ist jetzt abhängig von den Niederschlägen in den kommenden Tagen“, betont Hansing.

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