Deutscher Weizen- und Rapsmarkt 2023/2024

Aussichten für das kommende Wirtschaftsjahr

Bernhard Chilla, Marktanalyst bei der AGRAVIS Raiffeisen AG, blickt auf die aktuellen, weltweiten Entwicklungen und deren Auswirkungen auf den deutschen Weizen- und Rapsmarkt im Wirtschaftsjahr 2023/24.

Die nachfolgende Analyse erschien im Mai 2023 auch in der Land & Forst.

Mit 2022 haben wir ein rundum turbulentes Jahr hinter uns: der Krieg in der Ukraine, die Sorge vor Versorgungsengpässen, Rekordpreise für Weizen und Raps mit nie zuvor erlebten Preisschwankungen, steigende Preise für Energie und Düngemittel sowie ein sehr schwacher Euro. In direkter Folge der Preissteigerungen trübte sich die globale Wirtschaft ein – und mit der schwächelnden Weltwirtschaft verloren unter anderem auch Agrargüter wieder deutlich an Wert, was sich bis hinein ins Frühjahr 2023 zog. Vor allem beim Raps ist das Preisniveau derzeit teilweise deutlich niedriger als noch vor dem Ukraine-Konflikt.

Weiterhin stark volatile Preise zu erwarten

Trotz starker Unsicherheiten in den globalen Märkten wollen wir einen kleinen Ausblick wagen, was uns im kommenden Wirtschaftsjahr 2023/24 im Getreide- und Ölsaatenmarkt erwarten könnte. Langfristige Planungen, was Bedarfsdeckungen im Verarbeitungssektor betrifft, dürften vor dem Hintergrund aktueller politischer Unsicherheiten an allen Ecken und Enden weiterhin die Ausnahme bleiben. Und das wiederum, das hat uns die Vergangenheit vehement gezeigt, bewirkt ebenso bis auf Weiteres stark volatile Preise. Entsprechend ist es umso wichtiger, gleichsam einen soliden Anker zu haben, um im volatilen Sog nicht abzutreiben oder unterzugehen. Ein solcher solider Anker ist die Fundamentalbilanz für Getreide und Raps.

Der Blick auf den Rapssaatmarkt

Fangen wir mit dem kleineren Markt an, dem Rapssaatmarkt. Die hohen Rapspreise in 2022 führten dazu, dass die europäische Landwirtschaft ihre Anbauflächen zur Ernte 2023 kräftig ausgedehnt hat. Gesamt gesehen dürfen wir davon ausgehen, dass die Rapssaatproduktion unter moderaten Witterungsverläufen mindestens das Vorjahresniveau erreicht oder sogar übertrifft. Auch in der Ukraine übrigens soll die Anbaufläche zugenommen haben, trotz oder wegen des dort andauernden Krieges. Der Rapsanbau, muss man wissen, rechnet sich in der Ukraine besser als der Anbau von Getreide. Warum ist das so? Ganz einfach: Für Ölsaaten (und das betrifft am Ende mehr den Sonnenblumenanbau) hat die ukrainische Landwirtschaft zwei Vermarktungswege. Sie kann die Saat entweder exportieren oder an inländische Ölmühlen verkaufen – beim Getreide hingegen bleibt den Landwirt:innen eigentlich nur der Exportmarkt. So soll die zu erntende ukrainische Rapssaatmenge in 2023 in die Richtung von vier Millionen Tonnen gehen, schätzt zumindest das ukrainische Landwirtschaftsministerium. Vier Millionen Tonnen, so viel Raps hat die Ukraine noch nie zuvor erzeugt.
Die EU unterdessen könnte eine Produktion, wie im Vorjahr, bis zu 21 Millionen Tonnen erreichen. EU und Ukraine zusammengenommen wären das fast drei Millionen Tonnen mehr als noch vor zwei Jahren. Hinsichtlich sonstiger globaler Gegebenheiten (Kanada etwa dürfte entgegen vorherigen Jahren diesmal eine respektable Rapssaatmenge einfahren – und auch aus Australien sollte noch bis zum Sommer 2023 Raps für den Import zur Verfügung stehen) dürfen wir bei aller gebotenen Vorsicht vermuten, dass es, ohne Ernteverluste und zusätzliche politische Störfeuer, um die Versorgung mit Rapssaat auf unserer nördlichen Halbkugel – und damit auch bei uns in Deutschland – bis zum Winter ähnlich gut bestellt sein dürfte wie aktuell in diesem Frühjahr.

Der Blick auf den Weizenmarkt

Im Weizenmarkt wiederum sollten 2023/24 drei Märkte unterschieden werden. Hier haben wir zunächst den deutschen Weizenmarkt. Die deutsche Weizenproduktion 2023 dürfte auf Basis der aktuellen Anbauflächenschätzung wie im Vorjahr rund 22 Millionen Tonnen erreichen. Nun stagniert aber wegen sinkender Tierzahlen die Nachfrage im Binnenmarkt – und wird trotz steigender Stärkeproduktionskapazitäten bei voraussichtlich 18 bis 19 Millionen Tonnen liegen. Damit bliebe der Verbrauch, verglichen mit den beiden Jahren zuvor, zwar unverändert, jedoch um eine bis zwei Millionen Tonnen niedriger als noch vor fünf Jahren. Der „Überschuss“ von rund drei bis vier Millionen Tonnen müsste dann wieder im Exportmarkt vermarktet werden. Das klingt auf den ersten Blick nach nicht viel Menge, doch wird dann die Qualität des erzeugten Weizens wesentlich wichtig. 2022/23 war die Weizenqualität in Deutschland, insbesondere der Proteingehalt, weitaus niedriger als sonst üblich. Und typische Importländer wie Länder in West- oder Südafrika, die üblicherweise deutschen Weizen kaufen, decken sich inzwischen mehrheitlich anderswo ein.

Konkurrenz zwischen Deutschland und Frankreich beim Weizen

Noch ein bisschen Hintergrund: Deutscher Weizen konkurriert mit Weizen aus Frankreich. Und Marokko im Nordwesten Afrikas ist im laufenden Wirtschaftsjahr zum wichtigsten Absatzmarkt für deutschen Weizen geworden. Doch in Jahren mit normalen Ernten in Frankreich dürften eben solche Länder wie Marokko oder auch das nordafrikanische Algerien wieder verstärkt französischen Weizen importieren. Für den Export nämlich hat Frankreich gegenüber Deutschland schlicht und einfach einen Frachtenvorteil. Und somit sind wir beim zweiten Einflussfaktor auf den Weizenpreis: der EU-Weizenversorgung. Die EU-Weizenversorgungslage hat sich im laufenden Wirtschaftsjahr im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verbessert. So dürften die Weizenendbestände, auch dank hoher Weizenimporte aus der Ukraine, nunmehr so hoch sein wie zuletzt vor 2020/21. Mit normalen Produktionsmengen 2023/24 und einer stabilen Nachfrage bliebe der Exportüberschuss aus der EU hoch, allem voran in Frankreich, Polen, Rumänien oder den baltischen Staaten. Erst wenn die Ausfuhren aus der Europäischen Union sehr hoch sind, verknappt sich eine Versorgungslage. Echte Wachstumsprobleme aber beobachten wir derzeit nur, wie auch im Vorjahr, in Spanien. Im Südosten der EU, wo 2022 höhere Ertragsverluste eingefahren wurden, sind die Wachstumsbedingungen momentan deutlich besser.

Die weltweite Weizenversorgungslage

Somit kommen wir zum wichtigsten Einflussfaktor für die Weizenpreisbildung: der weltweiten Weizenversorgungslage. Aktuell haben wir nur in den USA echte Wachstumsprobleme. Doch die Bedeutung der USA für die Weltweizenversorgung hat seit 2005 merklich abgenommen. Russland indessen wurde hier zunehmend wichtiger. Das zeigte sich ganz klar 2022/23: Russland exportierte Weizen in Rekordmengen, und zwar trotz Sanktionen und trotz wiederholter Drohungen aus Russland selbst, den Export einzuschränken. Derzeit deckt Russland 25 Prozent der globalen Weizenimportnachfrage ab. Und auch 2023/24 wird Russland (neben Australien ab Winter 2023/24) zum wichtigsten Einflussfaktor für die Weltversorgung werden. Die wesentliche Frage wird hierbei sein, ob Russland die seine Rekordexporte wiederholen kann. Bei einer Produktion von über 85 Millionen Tonnen (Vorjahr bis 102 Millionen Tonnen), die derzeit im Raum stehen, bleiben die russischen Ausfuhren sehr hoch Und bei der Preisbildung für Weizen wird Russland mittel- und langfristig für das Wirtschaftsjahr wieder die führende Rolle übernehmen.

Gesamt genommen bleibt für den deutschen Weizen- und auch Rapsmarkt festzuhalten: Ein Eigenleben dürfte der deutsche Weizen- und Rapsmarkt mit den aktuellen Ernteschätzungen für 2023 nur sehr schwer entfalten – dazu hängen wir speziell im Weizenmarkt nur allzu ersichtlich von den Entwicklungen in Frankreich oder Russland ab.

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