Die Mengenbilanz für das kommende Wirtschaftsjahr zeigt unterdessen eine deutlich entspanntere Lage als im Vorjahr. Mit einer erwarteten Ernte innerhalb der EU von 18 Millionen Tonnen, in Kanada von wieder mindestens 19 Millionen Tonnen und in Australien von 5 Millionen Tonnen dürfen wir mit einer weltweiten Erntemenge von 81,50 Millionen Tonnen rechnen, das wären gut 9 Millionen Tonnen über Vorjahr. Selbst wenn die Verarbeitung mit 76 Millionen Tonnen ebenfalls deutlich um 4,5 Millionen Tonnen zulegt, steigt das stock to use auf 9,25 Prozent und ist damit immerhin knapp ausreichend.
Wetterbedingte Einflüsse
Das Wetter hier zeigt sich mit einem milden Winter und bisher noch ausreichenden Niederschlägen zufriedenstellend und bewirkt gute Bestände. Mai und Juni aber sind und bleiben die ertragsentscheidenden Monate. In Südosteuropa fehlt unterdessen schon Regen, und das könnte die Erträge schmälern. In Kanada macht die frühe Schneeschmelze eine entsprechend frühe und zügige Aussaat möglich, mit bestenfalls durchschnittlichen Erträgen. In Südamerika aber zeichnet sich inzwischen eine deutlich hinter den Erwartungen zurückliegende Sojaernte ab. Allein in Brasilien, Argentinen und Paraguay dürfte die Ernte um die 40 Millionen Tonnen unter den ersten Schätzungen liegen. Das schmälert die Sojabilanz trotz der höher erwarteten US-Fläche deutlich und könnte den Raps trotz des sehr hohen Aufgeldes stützen.
Politisch bedingte Einflüsse
Politische Faktoren haben momentan den deutlich größten Einfluss; der Ukraine-Konflikt mit Flächen- und Ernteverlusten sowie die zunehmenden Sanktionen gegen Russland treiben zum einen institutionelle Anlagefirmen in Agrarcommodities und lassen zum anderen die Energiepreise weiter steigen. Zudem tut sich die Europäische Zentralbank (EZB) zu schwer, die voranschreitende Inflation zu bekämpfen, und die Abhängigkeit zahlreicher Staaten vom „loose money“ ist zu groß geworden ist, sodass Ware aktuell auch als Inflationsschutz gehalten wird. Noch im Februar schätzte man die ukrainische Raps-Ernte auf 3,5 Millionen Tonnen, und hiervon einen Export in die EU bis zu 2,5 Millionen Tonnen. Momentan stehen noch 2 bis 2,5 Millionen Tonnen in den Ernteerwartungen, sodass wohl nur 1 bis 1,5 Millionen Tonnen für EU-Importe zu kalkulieren sind. Noch drängender ist der Wegfall von bis zu 50 Prozent der Sonnenblumenernte, denn die Ukraine hatte bisher Jahr um Jahr zwischen 5,5 und 6,25 Millionen Tonnen Sonnenblumenöl exportiert. Dieses Sonnenblumenöl fließt zu fast 100 Prozent in den Foodmarkt. Russland wiederum hatte in den Vorjahren 350.000 bis 400.000 Tonnen Rapssaat in die EU exportiert – Mengen, die sanktionsbedingt ebenfalls nicht mehr zur Verfügung stehen. Entscheidend für die weitere Preisentwicklung wird unter anderem sein, ob es Veränderungen am Mandat der Biodieselbeimischung geben wird. Immerhin fließen rund 60 Prozent des EU-Rapsöls in den Biodieselbereich. Somit wäre ein, wenn auch nur temporäres, Aussetzen der stärkste Hebel, um fehlendes Öl auszugleichen.
Fazit
Mit weiterhin durchschnittlichen Wetterbedingungen können die EU-Ernten deutlich zulegen und so den Markt trotz ukrainischer Mindermengen spürbar entlasten. Angesichts des aus dem Angebotsdefizit der vergangenen Ernte herrührenden alterntigen Preisextrems scheint das aktuelle Niveau deutlich zu hoch. Selbst die fehlenden Mengen aus der Ukraine werden die Preise nicht halten können. Hinzu kommen die noch zu stark erwartete kanadische Ernte sowie die deutlich zu hohen Preisdifferenzen zu den Konkurrenzprodukten, allem voran zu Soja. Die weltweit angespannte Wirtschaftslage, besonders auch beim Topverbraucher China, lassen keine höheren Verbräuche erwarten. Sollten Teller-Tank-Diskussion und der aktuellen Lebensmittelknappheit politische Entscheidungen gegen den Biodieseleinsatz getroffen werden, dürfte das die Rapspreise zusätzlich unter Druck setzen. Eben darum ist ein Rückgang der neuerntigen Preise bis auf 700 Euro/Tonne aktuell mehr als wahrscheinlich.