Marktbericht Energiemärkte 2022

Entwicklung bei Brenn- und Kraftstoffen

25.8.2022: Eike Mehnert, Energie-Experte der AGRAVIS, betrachtet im aktuellen Marktbericht die Märkte für Brenn- und Kraftstoffe.

Nach Erhebungen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) stieg der Absatz von Mineralölprodukten in der Bundesrepublik Deutschland im aktuellen Zeitraum von Januar bis April 2022 gegenüber der Vorjahresperiode um 9,1 Prozent. Nahezu alle Mineralölprodukte verzeichneten Zuwächse: Der Verbrauch von Ottokraftstoff stieg um 13 Prozent, beim Dieselkraftstoff gab es einen Zuwachs um 8 Prozent.

Die Mineralölgesellschaften in Deutschland haben nach Kriegsbeginn in der Ukraine ihre Importe an russischem Rohöl reduziert und auch bei Produkten wie Diesel zurückgefahren. Die Reduzierung der Bezugsquellen führte bei gleich hoher oder sogar gestiegener Nachfrage zu höheren Marktpreisen.

Die Preise an den Produktmärkten für Benzin und Diesel haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten vom Rohölpreis entkoppelt – es handelt sich hierbei um getrennte Märkte mit jeweils eigenen Angebots- und Nachfragefaktoren. Die Entwicklung der Tankstellenpreise wird von den Weltmarktpreisen für Benzin und Dieselkraftstoff bestimmt und nicht von den Rohölpreisen.

Im März 2022 zahlten Abnehmer an deutschen Tankstellen durchschnittlich 41,9 Prozent mehr für Superbenzin und 62,6 Prozent mehr für Diesel als noch ein Jahr zuvor. Kraftstoffe insgesamt waren 47,4 Prozent teurer. Für Heizöl mussten private Abnehmer:innen nahezu zweieinhalb Mal so viel bezahlen wie im März 2021.

Um Verbraucher:innen angesichts stark gestiegener Energiekosten zu entlasten, verabschiedete der Bundestag im Mai 2022 die temporäre Absenkung der Energiesteuer für Kraftstoffe, befristet von Juni bis August. Bei Benzin ist das immerhin eine Senkung der Energiesteuer plus Mehrwertsteuer von rund 35 Cent und bei Diesel von 17 Cent pro Liter.

Die weitere Markt- und Preisentwicklung hängt grundsätzlich von einer Vielzahl von Faktoren ab. Wie beispielsweise von den gestiegenen Preisen für beizumischende Biokraftstoffe, um die Verpflichtung zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen zu erfüllen. Oder auch von Verfügbarkeiten, die aktuell durch Niedrigwasser im Rhein erschwert werden und in der Folge logistische Probleme aufwerfen, weil vielen Speditionen bei hohem Krankenstand schlicht Fahrer fehlen. Und natürlich auch von der erhöhten industriellen Nachfrage nach Rohöl und Rohölprodukten, um etwa Gas zumindest anteilig in der Stromerzeugung zu ersetzen. Und schließlich von der Euroschwäche, denn da Rohöl in US-Dollar gehandelt wird, werden Importe für Europa teurer, wenn der Euro an Wert verliert.

Der Erdgasmarkt ist bekanntermaßen überwiegend von den Begleiterscheinungen des Ukrainekrieges bestimmt. Die russischen Exportmengen über North Stream 1 sind bis auf 20 Prozent gedrosselt. Ausgleichslieferungen müssen teilweise über andere Leitungsstränge erfolgen. Die vieldiskutierte Nord-Stream-Turbine ist nach wie vor nicht wieder verbaut – und nebenbei werden im Markt immer deutlichere Zweifel an der technischen Relevanz der Turbine für die Fördermenge laut. Die Ankünfte von Flüssiggas (LNG) auf dem Seeweg haben sich erhöht – zu horrenden Preisen und zu Lasten von Schwellenländern.

Die deutschen Gasspeicher füllen sich unterdessen leicht über Plan gut, bei einem derzeitigen Füllstand von rund 80 Prozent (Stand Ende August 2022). Abzuwarten bleibt, ob die angestrebten Füllstände von 85 Prozent zum 1. Oktober und 95 Prozent zum 1. November 2022 erreicht werden können. Im Vergleich liegen die Werte in Österreich und einigen osteuropäischen Ländern teilweise nur bei etwa 50-60 Prozent.

Die Börsennotierungen für Deutschland bewegen sich auf bzw. nahe den Höchstständen und haben ein Niveau von knapp 200 Euro/MWh für die Frontmonate und 167 Euro/MWh für 2023 erreicht. Ab Oktober wird eine neue Umlage zur Verteilung der Mehrkosten der Importeure eingeführt. Die Umlage beträgt zunächst 2,4 Cent pro Kilowattstunde. Die Umlage soll bei allen Gasverbrauchern erhoben werden und endet am 1. April 2024. Um die Belastungen für private Haushalte und Unternehmen durch gestiegene Gaspreise abzufedern, wird jedoch die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt.

Die Börsenpreise für Strom sind großenteils vom Gaspreis getrieben. Durch das europäische Marktdesign (Merrit-Order), worin der Preis durch die jeweils teuerste Erzeugungsart bestimmt wird, wird der Markt am oberen Ende von den Extrema beim Gas gestützt. Die Gestehungskosten anderer Erzeugungsarten liegen bei Weitem darunter, können aber keine preismindernde Wirkung entfalten. Es bestehen aber auch nicht zu vernachlässigende fundamentale Einflüsse: So sind die Kraftwerkskapazitäten in Frankreich durch Reparaturarbeiten an der Hälfte seiner Kernkraftwerke stark eingeschränkt – und europaweit beeinträchtigen niedrige Pegelstände der Flüsse die Verfügbarkeit von Kühlwasser und die Versorgung mit Steinkohle per Binnenschiff.

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